Für viele ist das Wort Spiritual Care ein neumodisches Wort. Und für die Kirchen eher in der esoterischen Ecke anzusiedeln. Aber weder das Eine noch das Andere trifft zu.
Spiritual Care und ihre Ressource wird in der palliativen Medizin angewandt. Und ist neben der medizinischen, pflegerischen und psychosozialen, die vierte, spirituelle Säule der Hospizarbeit. Diese vier Säulen helfen dem kranken und sterbenden Menschen, wenn sie gut zusammen spielen und aufeinander abgestimmt sind, Linderung der Schmerzen zu verschaffen. Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen und will im Ganzen gesehen und behandelt werden. Insbesondere in einer Palliativstation oder einem Hospiz. Hier sollten die vier Säulen gut zusammen arbeiten um den Bedürfnissen des Gastes gerecht zu werden.
Als Seelsorgerin im Hospiz habe ich es einmal erlebt als mich der Gast, der schon 14 Tage keinen Stuhlgang mehr hatte fragte, ob er hier noch einmal herauskommen würde. Ich antwortete: "Ich würde ihnen gerne etwas anderes sagen, aber in der Regel sterben die Menschen hier im Haus." Ich hatte den Satz beendet - und der Gast hatte Stuhlgang...
Für mich ist diese Erfahrung ein Beispiel dafür, das Spiritual Care über Seelsorge hinaus geht. In der Regel kommen hauptamtlichen Seelsorger der Kirchen auf Zuruf des Hauses um das Abendmahl, die heilige Kommunion oder das Sakrament der Beichte zu spenden. Das ist sicherlich wichtig für die Menschen die das Bedürfnis danach haben. Diese Art von Seelsorge kann aber nicht die Arbeit von Spiritual Care ersetzen, einer Person, die im Haus mit dem multiprofessionellen Team zusammen arbeitet um die vierte Säule der Spiritualität zu ergänzen.
Menschen zu begleiten ist immer ein Prozess. Egal ob in der geistlichen Begleitung, Trauerbegleitung oder eben in der Sterbebegleitung. Es bedarf Zeit und Geduld, damit Vertrauen entstehen kann, eine Ausbildung und die Fähigkeit sich empathisch auf den Menschen einzulassen - egal welcher Religion er angehört, oder auch gar keiner angehört. Es geht darum wie Spiritual Care als Ressource sinnvoll in unser Gesundheitssystem integriert werden kann um in den Hospizen und Palliativstationen Anerkennung zu bekommen.
Leider mache ich die Erfahrung, dass in den Institutionen wie einem Hospiz, Spiritualität immer noch nicht als eine eigene, wichtige Ressource eines Menschen angesehen wird. Einer Ressource, auf die der Mensch zurückgreifen kann um sich selbst zu heilen. Heilen nicht in dem Sinn, das er von seiner Krankheit geheilt wird. In einem Hospiz haben wir es mit Sterbenden zu tun.
Nein, es geht hier um ein Verständnis von Heilung, das der Mensch auch auf dem Weg zum Sterben immer noch eigene Ressourcen hat um "kleine Heilungen" zu erreichen. Und in Würde auf seine eigenen Ressourcen zurückgreifen kann. So wie in meinem genannten Beispiel. Kein Medikament konnte den Stuhlgang herbeiführen. Aber der Mut eigene Fragen zu stellen und auf eine ehrliche Antwort eines Gegenüber, sein Mitgehen und Aushalten zu hoffen, das Gesehen werden als verletzlicher Mensch. Das benötigt Zeit, Geduld und gewachsenes Vertrauen, welches nur in einer kontinuierlichen Begleitung geschehen kann.
Ich wage zu behaupten, dass jeder Mensch eine Spiritualität in sich trägt. Diese hat erst einmal nichts mit Religion zu tun und in welcher Tradition er hier aufgewachsen ist.
Für mich ist sie eine Zusage G*ttes! Bei einem Muslim Allah, bei einem Buddhist Buddha, einem Jude Jachwe, einem nichtgläubigen sein Mensch sein, seine Verwundbarkeit.
Ich wünsche uns allen, dass die Anerkennung unserer eigenen Spiritualität, unabhängig von einer Religion immer mehr zum Tragen kommt. Und das dem Menschen wenn er zu Sterben kommt, diese Ressource, das Letzte was er in diesem verletzlichen Zustand noch hat, gelassen wird. Um dann mit einer Person seines Vertrauens, und im Sinne von Spiritual Care aus dieser Ressource zu leben um in Würde sterben zu können.
Ergänzend hier ein Link:
Prof. Dr. med. Eckhard Frick
Leitung der Professur für Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit
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